Interview mit Jochen Klebsch (Zeitungsbericht)

Radsport in Rastatt – zurück zu den Wurzeln mit der „Tour de Ried“
Der Radsport hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr verändert. Macht sich das auch in der RSG bemerkbar?
Ja, diese Entwicklung macht auch vor einem kleinen mittelbadischen Radsportverein wie der RSG Ried Rastatt nicht halt. Die Anzahl der Vereine in Süddeutschland, die noch ein Radrennen nach den Statuten des deutschen Dachverbandes BDR ausrichten, sinkt von Jahr zu Jahr. Nachwuchsrennfahrer im Verein zu haben oder gar zu halten, gilt schon als Luxus. Die Doping-Diskussion, die seit 2006 den deutschen Radrennsport sukzessive demontiert, sorgt nach wie vor für ein negatives Image und das obwohl inzwischen in keiner anderen Sportart so viel und so intensiv gegen Doping vorgegangen wird. Der Trend geht eindeutig zu großen Jedermann-Veranstaltungen, bei denen sich jeder individuell an seine Leistungsgrenze herantasten kann, ohne zugleich auf das Gemeinschaftserlebnis verzichten zu müssen. Ein bekanntes Beispiel ist der Ötztal-Marathon über 238 km und 5500 Höhenmeter, an dem regelmäßig einige Vereinsmitglieder teilnehmen.
Wie sieht die Altersstruktur im Verein aus?
Entsprechend – uns fehlt schlicht und einfach der Nachwuchs. Der sehr talentierte Jugendfahrer Simon Henke, der im letzten Jahr für die RSG fuhr, wurde gerade für Ellmendingen Baden-Württembergischer Juniorenmeister im Straßenrennen. Der Nachwuchsmangel ist ein Schicksal, dass wir mit vielen anderen Vereinen und Sportarten teilen. Das negative Image, der relativ hohe finanzielle und zeitliche Aufwand sowie die Leidensfähigkeit, die einem der Radsport abverlangt, entsprechen nur bedingt dem aktuellen Zeitgeist . Der Sport birgt natürlich wesentlich mehr Gefahren als zum Beispiel eine Indoorsportart. Die Faszination des Radsports wird sehr über die großen Idole bzw. Vorbilder transportiert. Die großen Erfolge eines Jan Ullrich haben den Radsport in Deutschland nach oben katapultiert, im selben Tempo ging es nach den Dopingenthüllungen auch wieder bergab. Da haben wir aktuell ein Vakuum, das durchaus tolle Rennfahrer wie z.B. Tony Martin leider noch nicht auflösen können. Für die RSG Ried Rastatt bedeutet diese Entwicklung, dass das Vereinsleben im Wesentlichen durch die Generationen 30+ geprägt wird. Das könnte sich erst wieder ändern, wenn die ehemaligen Rennfahrer-Cracks des Vereins ihren eigenen Nachwuchs an die Startlinie schieben. Wir arbeiten dran…
Wie steht es mit den sportlichen Aktivitäten im Verein? Welche Sport-Veranstaltungen bietet der Verein an?
Für einen Verein unserer Größe haben wir ein beachtliches Veranstaltungsprogramm. Neben regelmäßigen Trainingausfahrten gibt es das Winter-Hallentraining und die Möglichkeit zum Spinning. Wir bieten ein Einzelzeitfahren (26.6.), ein Paarzeitfahren (26.7.), ein Bergzeitfahren (Ebersteinburg, 22.9.) sowie einen Triathlon (18.7.) und einen Silvesterlauf an. Alle Veranstaltungen sind in der Region etabliert und beliebt. Wir sind uns jedoch im Verein einig, dass wir uns dem allgemeinen Trend „höher, schneller, weiter“ nicht unterwerfen wollen. Die wirtschaftlichen Interessen stehen eher im Hintergrund, vielmehr wollen wir unserem Sport und allen Radsport-Interessierten eine Plattform bieten. Informationen über unseren Verein gibt es auch im Internet unter www.rsg-ried-rastatt.de
Was machen die früher bekannten Urgesteine der Rastatter Rennradszene?
Wer dem Rennrad-Virus einmal verfallen ist, kommt kaum mehr davon los. So ist es auch mit unseren ehemaligen Spitzensportlern. Fahrer wie Uli Klebsch, Thomas Senski, Michael Jenc oder Arne Reim trifft man auch heute noch auf den regionalen Straßen oder Waldwegen an…auch wenn die Jungs heute keinen Kondensstreifen mehr hinter sich herziehen. Natürlich versuchen wir die Erfahrung und das Know-how unserer ehemaligen Aushängeschilder auch in der RSG Ried Rastatt zu nutzen; der eine oder andere konnte für einen Vorstandsposten bereits gewonnen werden.  
Kann bei den Ausfahrten (Di. 17.30 Uhr, Sa.14.00 Uhr am Gymnasion) jeder mitfahren?
Grundsätzlich ja. Allerdings sollte man nicht völlig untrainiert bei den Ausfahrten auftauchen. Bei den samstäglichen Ausfahrten wird in eine sportliche Gruppe und eine etwas langsamere Gruppe unterteilt. Wir versuchen die Gruppen beieinander zu halten, jedoch sollten Mitfahrer in Ausnahmefällen in der Lage sein auch ohne GPS den Nachhauseweg alleine zu finden. Wir freuen uns über jedes neue Gesicht…neben der gemeinsamen Radausfahrt kommt natürlich auch der gemütliche Teil nie zu kurz. Dienstags treffen sich eher die leistungsorientierten Fahrer…auch hier sind Gäste jederzeit willkommen.
Gibt es „Lieblingsstrecken“ für die Ausfahrten?
Wir versuchen stets verkehrsarme Touren zu initiieren, dafür bietet sich zum Beispiel das benachbarte Elsass hervorragend als Trainingsgebiet an. Aber auch die Klassiker im Murgtal, Schwarzwald oder Rebland werden nicht vernachlässigt. Wir fahren da, wo andere Urlaub machen…die Region Rastatt, Baden-Baden, Bühl zählt zu schönsten Trainingsgebieten, die man sich vorstellen kann, da gibt es ausschließlich „Lieblingsstrecken“. Eine der häufigeren Routen führt über Rheinuferstraße, Zimmerplatz und Nachtigall, zurück durch das Murgtal.
Welche Rolle spielt das Material im Hobby-Rennradsport? Mit welcher Ausrüstung fahren die Vereinsmitglieder?
Früher sagte man „es kommt hauptsächlich auf die Beine an“…gilt heute natürlich auch noch, obgleich das Material heute eine viel größere Rolle spielt als früher. Die Entwicklung von Stahlrahmen über Alu hin zu Carbon oder Titanium hat die Szene ordentlich aufgemischt. Eine moderne Carbon-Maschine wiegt heute ca. 7 Kilo, gebremst und geschaltet wird über einen Mechanismus im Bremshebel und dies zum Teil auch schon elektrisch. Und wenn man dann das beste Material unterm Hintern hat…aber nix in den Beinen wird man trotzdem abgehängt. Bei unseren Vereinsausfahrten kann man das komplette Portfolio der technischen Entwicklung der letzten 30 Jahre begutachten. Vom alten gepflegten Stahlross bis hin zum Hightech-Renner ist alles vertreten.
In diesem Jahr findet kein Kriterium „Rund ums Rastatter Rathaus“ für Lizenzfahrer statt, sondern das Hobbyrennen „Tour de Ried“ am 7.Juli. Wie kam es dazu?
Die Entscheidung, erstmals seit vielen Jahren kein Lizenz-Radrennen in Rastatt zu veranstalten, fiel uns nicht leicht. Die Tatsache, dass wir dieses Jahr das erste Mal in unserer Vereinsgeschichte keinen eigenen Rennfahrer an die Startlinie bringen könnten gab letztendlich den Ausschlag zum Verzicht. Ohne Lokalmatador fiele es allen Helfern und Unterstützern schwer sich für eine solche aufwändige und kostenintensive Veranstaltung zu motivieren. Daher kam der Gedanke auf sich zurück zu den Wurzeln zu begeben und Basisarbeit zu betreiben. Die Gründung der RSG Ried Rastatt Mitte/Ende der Siebziger Jahre war eng mit der damals jährlich stattfindenden Tour de Ried verbunden. Alle erfolgreichen Rennfahrer der RSG Ried gewannen hier ihre ersten Meriten…sozusagen die Keimzelle des sportlichen Erfolges aller RSG-Ried-Renner. Die Veranstaltung für Hobbyfahrer – allerdings unter anderen Rahmenbedingungen als in den 70er- und 80er-Jahren – sehen wir als Pilotprojekt an. Der Erfolg und die Teilnehmerzahlen werden darüber entscheiden, ob wir diesen Weg auch in den kommenden Jahren weiterverfolgen werden. Die Veranstaltung wird im Rahmen des Wintersdorfer Dorffestes auf einer 1000-Meter-Runde im Ortskern von Wintersdorf stattfinden. Eine Durchführung wie früher auf den Verbindungsstraßen zwischen den Ried-Dörfern Ottersdorf-Plittersdorf-Wintersdorf ist aus verkehrsrechtlicher Sicht problematisch und wurde daher nicht weiter verfolgt. Wir werden mehrere Nachwuchsklassen und ein Erwachsenenrennen anbieten, wobei Männlein und Weiblein gemeinsam starten, jedoch getrennt gewertet werden.
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Nach der Einkehr im Hopfenschlingel: Welches war nochmal mein Rad??